Freitag, 28. November 2014

"Es waren mehr Personen aus dem Landkreis Dachau im KZ inhaftiert, als wir gedacht haben" - Ergebnisse der Geschichtswerkstatt

Annegret Braun (links), Sabine Gerhardus (rechts)
Wie alle Beteiligten des Pressegesprächs zum Ende der LEADER-Förderperiode der Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau zog auch Sabine Gerhardus, die das Biographieprojekt der Geschichtswerkstatt geleitet hatte, ein positives Resümee: „Die Biographiearbeit zu Verfolgten des NS-Regimes ist nun auch im Landkreis angekommen. Ein Ergebnis des Projekts ist: Es waren wesentlich mehr Personen aus dem Landkreis im KZ Dachau inhaftiert, als wir gedacht haben.“

Auch Norbert Göttler, Bezirksheimatpfleger, Schirmherr und Initiator der Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau, hätte sich einen besseren Verlauf gar nicht vorstellen können: „Die Geschichtswerkstatt war ein Quantensprung für die Heimatforschung im Landkreis Dachau. Und das Schöne am heutigen Abschlussgespräch ist: Es kann weiter geforscht werden, der Weiterbestand der Geschichtswerkstatt ist gesichert.“

Am Pressegespräch am 26. November 2014 teil nahmen Vertreter der Institutionen, die die Geschichtswerkstatt möglich gemacht haben: Anton Jais, 1.Vorsitzender des Dachauer Forums, Annerose Stanglmayr, Geschäftsführerin des Dachauer Forums, und Ksenija Pointner, Geschäftsführerin der Vhs Dachau Land vertraten die beiden Träger. Für Dachau AGIL war Julia Gamperl anwesend, für den Landkreis Dachau saß Wolfgang Reichelt am Tisch. Die konkrete Projektarbeit repräsentierten Projektkoordinator Thomas Vötter, Projektleiterin Teilprojekt 2 Annegret Braun und Projektleiterin Teilprojekt 3 Sabine Gerhardus.

Die bei dieser Gelegenheit vorgestellte Broschüre „Geschichtswerkstatt. Vom Projekt zur Bürgerbewegung“ stellt die drei abgeschlossenen Teilprojekte der Geschichtswerkstatt ausführlich und mit vielen Illustrationen dar: Der Lehrgang für Zeitgeschichte, Teilprojekt 1, gab vielen Heimatforschern das nötige Rüstzeug für die Beteiligung an der Geschichtswerkstatt. Das Teilprojekt 2 dokumentierte in vielen Ausstellungen das Kriegsende und die unmittelbare Nachkriegszeit im Landkreis Dachau. Teilprojekt 3 erforschte in enger Zusammenarbeit mit dem Gedächtnisbuch für Häftlinge des KZ Dachau die Biographien von Landkreisbewohnern, die im KZ Dachau inhaftiert waren.

Norbert Göttler (links), Wolfgang Reichelt (rechts)
Wolfgang Reichelt, Vertreter des Landkreis Dachaus, übermittelte gute Nachrichten für die Geschichtswerkstatt: „Der Landkreis wird die Geschichtswerkstatt weiter unterstützen, die Geschichtswerkstatt kann bestehen bleiben.“

6000 Besucher zählten die Ausstellungen in den verschiedenen Landkreisgemeinden. Die große Resonanz, die die Geschichtswerkstatt verzeichnen kann, stand keineswegs zu Projektbeginn fest. Anton Jais berichtet: „Ich war neu im Amt, als das auf mich zukam. 75 000 Euro Fördermittel der EU – ich dachte nur, hoffentlich geht das gut. Gottseidank, es ist gut gegangen. Ein großes Dankeschön an alle, die mitgetragen haben und die vor Ort dabei waren!

Annegret Braun betreute die Ausstellungen vor Ort und meint: „Das ist eine gute Basis für die Weiterarbeit, viele Seiten der Ortsgeschichte konnten in den Ausstellungen dargestellt werden. Das alles wird in der Broschüre dokumentiert.“ Annerose Stanglmayr betont die identitätsstiftende Funktion der Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau. Für Thomas Vötter ist die Geschichtswerkstatt ein großes Dach, unter dem jeder seine Ergebnisse gut präsentieren kann.

Für Ksenija Pointner von der Vhs Dachau Land ist die verbesserte Zusammenarbeit der beiden Erwachsenenbildungseinrichtungen ein wesentliches Ergebnis des Projekts: „Die Zusammenarbeit mit dem Dachauer Forum war für uns wichtig. Das hat neue Möglichkeiten geschaffen und die Kommunikationswege sind kürzer geworden.“ Dachau AGIl sieht einen großen Vorzug des Projekts Geschichtswerkstatt darin, dass eine gemeinde-, partei- und institutionenübergreifende Arbeit möglich ist.

Wer sich für die Ergebnisse der Geschichtswerkstatt interessiert, kann die Broschüre „Geschichtswerkstatt. Vom Projekt zur Bürgerbewegung“ beim Dachauer Forum bestellen: Telefon 08131 - 996 88-0, E-Mail info@dachauer-forum.de. Eine ausführliche und ständig wachsende Sammlung der Projektergebnisse findet sich auch unter www.geschichtswerkstatt-dachau.de .


Donnerstag, 27. November 2014

Wieder entdeckter Gedenksteins für die Opfer des Nationalsozialismus in Ampermoching eingeweiht

v.l.: Pfarrer Eichhammer, Thomas Schlichenmayer, Hermann
Kleinknecht, Bürgermeister Reischl (Foto Josef Glas)
von Thomas Schlichenmayer

Unter überraschend großer Anteilnahme von interessierten Personen und Vertretern verschiedener Institutionen wie der KZ-Gedenkstätte, dem Dachauer
Forum, dem Gemeinderat Hebertshausen und der Versöhnungskirche Dachau fand am 27.11.2014 die Einweihung eines "vergessenen" und "wiederentdeckten" Gedenksteins für die Opfer des Nationalsozialismus statt.
Der Gedenkstein steht am Weiher in Ampermoching.
Bürgermeister Reischl betonte in seiner Rede die Bedeutung dieser Aktion als
Teil wichtiger Erinnerungsarbeit. Hedy Esters, Thomas Schlichenmayer und
Josef Glas sind die Initiatoren für die Schaffung eines würdigen Umfeldes für
den Gedenkstein. Sie zitierten aus Tageszeitungen von 1933, 1939 und 1946
Textpassagen, in denen auf unterschiedlichste Art über den Arbeitseinsatz
eines Außenkommandos des KZ-Dachau zur Reinigung und Entschlammung
des Ampermochinger Dorfweihers berichtet wurde.
Eigens aus Berlin angereist war der Künstler Hermann Kleinknecht, der den Stein
1985 in eigener Initiative gestaltet hatte. Er erläuterte seine Motive zur Schaffung dieses Denkmals. Von Dorfbewohnern hatte er zuvor Informationen zum Arbeitseinsatz der KZ-Häftlinge bekommen. Herman Kleinknecht arbeitete 1985 in einem von der Gemeinde
zur Verfügung gestellten Atelier im alten Schulhaus in Ampermoching. Peter Pinnau, München, langjähriger Freund Hermann Kleinknechts, würdigte dessen künstlerisches Werk.
Pfarrer Eichhammer nahm schließlich die Segnung des Steines vor.

Hedy Esters und Thomas Schlichenmayer verfassten im Rahmen der Geschichtswerkstatt im Landkreis Dachau das Gedächtnisblatt zu Wolfgang Heilmann.

Spurensuche im Landkreis Dachau: "Neuer" Gedenkstein mit Vergangenheit für die Opfer des NS in Ampermoching

Sensibilisiert durch die Mitarbeit an der Geschichtswerkstatt und die Erstellung einer Biographie für das Gedächtnisbuch entdeckten Hedy Esterns und Thomas Schlichenmayer am Dorfweiher in Ampermoching einen verdeckten Gedenkstein mit der Aufschrift "Die Opfer des Nationalsozialismus". Niemand wusste von diesem Stein.

Ihre Recherchen ergaben, dass der Künstler, Hermann Kleinknecht, 1985 in einer Künstlerwohnung in Ampermoching gelebt und gearbeitet hat. Er hatte im Dorf davon erfahren, dass der Weiher von KZ-Häftlingen ausgeräumt worden war. Dieser Hinweis auf die Sklavenarbeit von KZ-Häftlingen direkt vor seiner Haustür veranlasste ihn, selbständig einen 2,5 Tonnen schweren Gedenkstein aus Carrara-Marmor anzufertigen und aufzustellen - ohne Unterstützung, aber mit Genehmigung des Grundstückseigentümers.

Inzwischen haben Hedy Esters und Thomas Schlichenmayer den Stein reinigen und an eine neue Stelle versetzen lassen. Am 27. November 2014  um 11.00 Uhr wird er in einer Veranstaltung mit dem Bürgermeister und dem Künstler Hermann Kleinknecht eingeweiht.

Anton Mang ist einer der Häftlinge, die wahrscheinlich am Dorfweiher in Ampermoching eingesetzt waren. Über ihn wird derzeit ein Gedächtnisblatt erstellt.

Jana Schmitt für herausragende Seminararbeit ausgezeichnet


Jana Schmitt (Mitte) präsentiert ihr Gedächtnisblatt


von Sabine Gerhardus

20.11.2014 im „Haus der klügsten Köpfe“: Die Präsidentin des Bayerischen Landtags Barbara Stamm  und der Präsident des „Bayerischen Clubs“ zeichnen Jana Schmitt im Lesesaal des Maximilianeums zusammen mit sechs weiteren Abiturientinnen und einem Abiturienten für ihre Seminararbeiten aus.

Alle Arbeiten befassen sich auf hervorragende Weise mit einem Thema der bayerischen Geschichte und Kultur. Barbara Stamm möchte angesichts des zunehmenden Verlusts von Identität durch die Globalisierung Heimatbewusstsein fördern: Dies habe keineswegs mit Rückständigkeit zu tun, betont sie: „Um die Zukunft erfolgreich zu gestalten, muss man seine Wurzeln kennen.“

Jana Schmitt erhält den Preis für Oberfranken. Die Laudatio hält Albert Scharf, Präsident des Bayerischen Clubs, ein Verein zur Förderung der Bayerischen Kultur. Jana Schmitts Arbeit entstand in Kooperation mit dem Gedächtnisbuch Dachau und dem Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband. Scharf: „Frau Schmitt gelingt ein Gesamtbild in präziser und nüchterner Weise, das das Schicksal dieser verdienten jüdischen Lehrer zeichnet.“ Jana strahlt mit den anderen Preisträgern um die Wette. Doch beim anschließenden Sektempfang erzählt sie: „Am wichtigsten ist mir aber die Anerkennung der Familie von Justin Fränkel. Sie haben sich so über meine Arbeit gefreut, und vor allem darüber, dass sich jemand wirklich für die Geschichte von Justin interessiert!“ Zum Dank hat die Familie Jana schon mehrmals nach New York eingeladen. Erst das Preisgeld ermöglicht ihr jetzt, die Einladung anzunehmen und die Tochter und den Enkel Justin Fränkels persönlich kennenzulernen!
Die Gruppe der Preisträger

„Sie haben alle hervorragende Seminararbeiten zu Themen mit bayerischem Bezug verfasst“, lobt Ministerialdirigent Walter Gremm. Aus Sicht des Kultusministeriums zeige dies die hervorragende Qualität des Bayerischen Gymnasiums. Gremm wünscht sich, dass die Vereine, die sich „nur mit den Strukturen“ befassten und so viel kritisierten, „mal mit den herausragenden Leistungen auseinandersetzen würden“. Er geht aber nicht darauf ein, dass einer dieser „Vereine“, nämlich der BLLV, die Arbeit einer der Preisträgerinnen durch das Projekt „Jüdische Lehrer in Bayern“ angestoßen und intensiv betreut hat. „Die Preisverleihung in den Räumen des Maximilianeums bedeutet eine besondere Art der Wertschätzung.“, so Gremm.

Der Bayerische Club fördert Auseinandersetzung der jungen Menschen mit der Bayerischen Geschichte und Kultur. Scharf möchte die Preisverleihung als Anstoß verstanden wissen, „dass auch Lehrpläne und Unterricht mit diesen Themen ausgestattet werden.“ Dies sei nicht mehr selbstverständlich, es sei viel Substanz verloren gegangen. „Was uns bewegt, ist die bayerische Geschichte.“, so Scharf. Zum ersten Mal wurden die diesjährigen preisgekrönten Arbeiten sogar in einem Sammelband publiziert.

Den musikalischen Rahmen gestaltet die ehemalige Schülerband Animal Lake. Es gibt sogar eine „Welturaufführung“ zu Ehren der frisch aus der Schule Entlassenen: „Und irgendwann fahr ich fort“.

Veröffentlichung:

Abiturientenpreise 2014 des Bayerischen Clubs. Die besten Seminararbeiten im Rahmen des Abiturs an bayerischen Gymnasien, die sich in herausragender Weise mit einem kulturbezogenen bayerischen Thema befassen. Zusammengestellt vom „Bayerischen Club“ in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst (nicht im Buchhandel erhältlich)

Mittwoch, 26. November 2014

Pim Reijntjes ist gestorben

Pim Reijntjes liest im Gedächtnisbuch (2011)



von Sabine Gerhardus und Jos Sinnema

Trauer um Pim Reijntjes: Soeben erreichte und die Nachricht, dass Pim Reijntjes am Morgen des 26. November 2014 nach kurzer Krankheit gestorben ist.
Pim Reijntjes war 2010 der erste ehemalige Häftling, der niederländischen Schülerinnen (Lieke Beemster und Ledmia Baghdadi) ein Interview für das Gedächtnisbuch gegeben hat. Er war so begeistert von ihrer Arbeit, dass er am 22. März 2011 zur jährlichen Veranstaltung in Dachau mitgefahren ist, wo Lieke und Ledmia seine Biographie präsentierten.
Im niederländischen Fernsehen. Foto Hans Vink Quelle: @ Max
Pim Reijntjes wuchs in Amsterdam auf. Er erlebte im Mai 1940 als Soldat den deutschen Luftangriff auf Rotterdam, bei dem die historische Altstadt zerstört wurde und hunderte Menschen ihr Leben verloren. Später schloss er sich dem Widerstand an. 1943 versuchte er zusammen mit seinem Bruder Loek und sechs weiteren Kameraden, mit einem Fischerboot von IJmuiden nach England überzusetzen, um sich dort den niederländischen Streitkräften anzuschließen. Die Gruppe flog auf und wurde verhaftet. Die Brüder kamen in das berüchtigte Gefängnis Oranjehotel in Scheveningen und dann in die Konzentrationslager Vught, Amersfoort, Natzweiler und schließlich nach Dachau, wo sie am 29. April 1945 befreit wurden. Von den acht Verhafteten überlebten nur die beiden Brüder den Terror der Nationalsozialisten. Pim Reijntjes setzte sich für die Erichtung eines nationalen Dachau-Denkmals in Amsterdam ein, das 1996 eröffnet wurde, und er war der erste Vorsitzende der Stiftung National Denkmal Dachau.
Pim, Lieke und Ledmia in Dachau 2011

Pim stand am Anfang des Projekts Gedächtnisbuch in den Niederlanden. Am Vorabend ihrer gemeinsamen Reise nach Dachau im März 2011 waren Pim, Lieke und Ledmia zusammen im niederländischen Fernsehen und haben über das Gedächtnisbuchprojekt erzählt. Pim Reijntes´Unterstützung brachte einen Stein ins Rollen: seitdem gaben auch andere ehemalige Häftlinge in den Niederlanden Schülern ein Interview. Inzwischen ist es schon Tradition geworden, dass jedes Jahr Schüler von Holland aus nach Dachau fahren, um neue Biographien über ehemalige niederländische Häftlinge zu präsentieren. Bis jetzt ist jedes Jahr zumindest einer der Überlebenden mitgefahren.

Sonntag, 23. November 2014

W-Seminar Grafing: Die Suche beginnt!

Robert Bierschneider erklärt Archivalien


Alicia, Teilnehmerin im W-Seminar am Grafinger Gymnasium, war so nett, einen Text über den Besuch der Projektgruppe im Staatsarchiv München zu schreiben.

Nachdem jeder Schüler / jede Schülerin den Menschen gefunden hat, mit dem er sich die kommenden 1 1/2 Jahre beschäftigen wird, haben wir, die Teilnehmer des W-Seminars "Namen statt Nummern", uns letzten Donnerstag, den 13.11.2014, auf den Weg in das Staatsarchiv München gemacht.
Dort angekommen, haben uns Irene Stuiber, Mitarbeiterin des Gedächtnisbuchs, und Robert Bierschneider vom Staatsarchiv in Empfang genommen.    
Die Einführung in die Archivarbeit erfolgte durch eine ausführliche und sehr informative Power-Point-Präsentation von Robert Bierschneider, in der er uns einfache Dinge wie z.B. die Begriffserklärung des Wortes Archivs erklärt hat, das ursprünglich von dem lateinischen Wort arché kommt, was so viel bedeutet wie Behörde bzw. Amtsstelle. Desweiteren wurden uns wichtige Informationen zur Archivierung gegeben, wie z.B. die Aufgabe eines Archivs, welche Dokumente als archivwürdig angesehen werden, wer jeweils die zuständigen Archivträger von Dokumenten sind usw.. Darüber hinaus hat uns Robert Bierschneider besonders über den Bestand des Staatsarchivs München informiert, der nicht nur Akten enthält, sondern auch aus Karten & Plänen, Plakaten & Flugblättersammlungen, zeitgeschichtlichen Sammlungen, Gesetz- & Amtsblättern besteht.
Anschließend durften wir echte Dokumente des Archivs genauer betrachten und zum ersten Mal in unseren Händen halten, was unsere Vorfreude auf die bevorstehende Arbeit in Archiven gesteigert hat.
Alles in allem, war es ein sehr aufschlussreicher und informativer Vortrag und Nachmittag, den wir im Staatsarchiv München verbringen durften.
Ab jetzt steht der Suche nach der Lebensgeschichte unserer Personen nichts mehr im Weg.